Montag, 9. Dezember 2013

Brüssels Fin de siècle.

aus Badischen Zeitung, 8. 12. 2013, dpa                                                          James Ensor,  The Singular Masks, 1892.


Brüssel eröffnet Fin-de-Siècle-Museum 
Das neue Fin-de-siècle-Museum in Brüssel ist der belgischen und französischen Avantgarde um die Jahrhundertwende gewidmet. Nach heftigen Protesten und Verzögerungen ist es nun eröffnet worden.

Fernand Khnopff gilt neben James Ensor als Hauptvertreter des Symbolismus und Victor Horta als Stararchitekt des Jugendstils. Um die Jahrhundertwende war Brüssel ein bedeutendes künstlerisches Zentrum. Belgische Künstler zählten damals zu den innovativsten der europäischen Avantgarde. Diese einzigartige Kreativität will das neue Fin-de-siècle-Museum mitten in Brüssel zur Schau stellen. "A new museum opens its doors!" steht auf dem riesigen Plakat an der Fassade des neuen Kunsttempels, in dem früher das Museum für moderne Kunst war. 

 VICTOR HORTA, Maison du Peuple, Rue Joseph Stevens, Brussels (abgerissen), 1895–99.

Das Fin-de-siècle-Museum liegt in dem neoklassizistischen Gebäude, in dem sich auch das Museum für alte Kunst und das Magritte-Museum befinden. Gezeigt werden rund 1000 Werke aus vielen künstlerischen Disziplinen, angefangen von der Malerei, über Bildhauerei, Fotografie und Architektur bis hin zu Mobiliar im Jugendstil. "Zu dieser Zeit wollte man eine allumfassende Kunst, eine Gesamtkunst herbeiführen, die Kunst und Kunsthandwerk miteinander verband", erklärt Michel Draguet, der Direktor der Königlichen Museen der Schönen Künste Belgiens, das Ausstellungskonzept.

Louis Dubois, Störche, 1858

Der Kunsthistoriker ist der Initiator des Jahrhundertwende-Tempels. "Ich will damit zeigen, dass Brüssel zu dieser Zeit im Zentrum der Avantgarde stand und die künstlerischen Entwicklungen stark beeinflusst hat." In der Zeit zwischen 1880 und 1914 sind vielfältige Bewegungen entstanden wie der Symbolismus, Impressionismus, die Dekadenzdichtung und der Expressionismus. Salons von Künstlervereinigungen wie Les XX und La Libre Esthétique wurden gegründet.

Alphonse Mucha, La Nature, 1899-1900

Das neue Museum hat aber auch scharfe Kritiker. Denn es ist in die riesigen Säle des Museums für moderne Kunst gezogen, das Anfang 2011 geschlossen wurde. Seitdem schlummert die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts größtenteils in den Depots der Königlichen Museen der Schönen Künste Belgiens. Dass Brüssel als Hauptstadt Europas kein Museum für moderne Kunst mehr habe, sei ein Skandal, protestierten Künstler, Galeristen und Sammler. Diese Kunst dürfe nicht einfach verschwinden, bis ein neuer Ort für sie gefunden sei.

ÉDOUARD VUILLARD, Schuljungen, 1894

Draguet verfolgt ein längerfristiges Konzept. Er will die umfangreichen, rund 20 000 Werke zählenden Sammlungen der Königlichen Museen der Schönen Künste besser verteilen und sichtbarer machen. Dazu hatte er vor wenigen Jahren fast alle Werke von René Magritte aus den Sammlungen genommen und 2009 das Magritte-Museum eröffnet - mit 500 000 Besuchern jährlich ein Publikumserfolg.

 Pierre Bonnard, Akt im Gegenlicht, ca. 1908

Der nächste Schritt sei es, die Werke aus der Zeit nach 1914 dauerhaft auszustellen. Einen Ort für das zukünftige Museum für moderne Kunst hat Draguet bereits gefunden: das ehemalige Kaufhaus Vanderboght im Zentrum der Stadt. Die Kosten der Umbauarbeiten werden auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Der Ball liege nun im Feld der Regierung.

 James Ensor, Zwei Gerippe streiten um einen eingelegten Hering, 1891




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