Dienstag, 24. Dezember 2013

Der Bilbao-Effekt.

Bilbao. Rechts unten das Guggenheim-Museum

"Es gibt Momente, da muss Architektur ikonografische Prägnanz liefern. In Bilbao ist das gelungen. Das Museum ist der neue Nabel der Stadt. Das gesamte Koordinatennetz läuft dort zusammen. Das Museum übt eine Zentripetalkraft auf die Stadt aus, zieht sie in sich hinein. Ganz Bilbao scheint den Blick auf das Guggenheim zu richten." Das sagte Gehrys spanischer Kollege Rafel Moneo im Interview. Und tatsächlich ist die Zeit gekommen, wo man den Architekten von Bilbaos Guggenheim Museum in Schutz nehmen muss, aber nicht zuletzt gegen sich selbst. Noch vor Zaha Hadid, Libeskind und all den Herzogs und de Meurons steht er für das gegenwärtige Starsystem in der Architektur mit ihren grotesken Creationen, deren hauptsächliches ästhetisches Merkmal die Originalität mit allen Mitteln ist: der wahre Bilbao-Effekt.


Den hätte es aber nie gegeben, wäre nicht Gehrys Coup an der Biskaia damals ein architektonischer Volltreffer gewesen. Bilbao war bis dahin in ganz Spanien - woanders kannte man das Kaff ja nicht, Spanienreisende machten einen Bogen darum - berüchtigt durch sein "Image einer hässlichen, grauen, schmutzigen Stadt": so formuliert es die wikipedia.  

 Baracaldo, Haltos Hornos de Vizcaya

Dabei ist die Stadt am äußersten Ende der Bucht von Biskaia malerisch gelegen. Zwischen den zerklüfteten Ausläufern der kantabrischen Berge an einer langen, schmalen, sich langsam öffnenden Flussmündung gelegen, verspricht sie dem Reisenden, der sich ihr zu Lande oder zu Wasser nähert, eine Wohltat für die Augen. Ist er aber drin in der Stadt, fällt er in ein graues Loch. Das einzig Ansehnliche, das Viertel Casco Viejo, konnte sich zu einem
wirklichen Zentrum nicht entwickelt, das Flusstal war zu eng, die Stadt konnte nur flussab- oder flussaufwärts wachsen, und Casco Viejo liegt zudem auf dem schmaleren Flussufer. Als im neunzehnten Jahrhundert die Industrie explosionsartig wuchs, wucherte sie naturgemäß flussab dem Hafen zu, und es waren die Hochöfen, die seither Bilbaos Bild geprägt haben. Das einzige städtebauliche Erbstück, das die Gründerjahre Bilbao hinterlassen haben, ist die Plaza Moyúa, die aber auch nicht viel eignes Gesicht hat.

 Plaza Moyúa

In den siebziger Jahren brach in Bilbao wie überall in der Welt die Stahlindustrie zusammen. Sie hinterließ der Stadt einen ganzen Kosmos von Hässlichkeit. Mit Kosmetik war es nicht getan. Sollte die Stadt eine Zukunft bekommen, war ein echter Neustart nötig.







Es musste ein Kracher her, den man weit über Spaniens Grenzen hörte, und den haben die Stadtväter auch bekommen:






Um zu gewinnen, muss man wagen, da waren sie bei Gehry an den richtigen Mann geraten. Ein Gebäude, das an seinem klug gewählten Paltz den Charakter eine ganzen Stadt umprägt! Es war ja nicht Gehry allein.

Arquitectos Juan Coll-Barreu & Daniel Gutiérrez Zarza

Rafael Moneo, Unversitätsbibliothek

Jetzt ist Bilbao ein Markenzeichen, und alle kommen, wenn gerufen wird.



Das ist für die Insel im Fluss, die Ría, vorgesehen.

Aber auch in anderer Hinsicht ist Bilbao inzwischen ein Markenzeichen, und ich stelle mir vor, dass Gehry sich darob inzwischen mehr als einmal vor Wut in den großen Zeh gebissen hat. Denn n icht nur von ihm wollten seither alle 'sowas wie in Bilbao', und er war so schwach, sich drauf einzulassenn, und das ist dabei herausgekommen:










Es ist Kitsch.

Und man stellt verblüfft fest, dass diese erzwungene Originalität merkwürdig eintönig ist. Das liegt aber nur an Protz und Pomp, gar nicht so sehr an Gehrys geschmacklichen Vorlieben. Wo er's auch mal eine Nummer kleiner tut, und dann auch wieder am rechten Platz, ist es auf seine Art wieder ganz in Ordnung, wie damals in Bilbao:



Das Möbelmuseum MARTA liegt beim ostwestfälischen Herford,
außerhalb einer von Krieg und Nachkriegszeit ziemlich unversehrten Kleinstadt und ihrer Wallanlage. Ein bisschen was Krasses muss da schon sein, sonst gehn sie alle in die Fußgängerzone Kaffee trinken. Aber allzu krass nun auch wieder nicht, sonst drückt es das Städtchen beiseite (und wird viel zu teuer).

Würde Gehry sowas eigentlich gern öfter machen? 

Dass ihn Viele nicht mehr für seriös halten, hatte aber seinen Ursprung schon in Bilbao selbst. Denn das Museum, damals noch ein Unikat und archtektonischer Leuchtturm, wurde von anbeginn verhöhnt und veralbert, indem man ihm programmatisch den Puppy von Jeff Koons vor die Nase setzte:




Damit nicht genug. Zur Seite bekam es diese Alberei:



Es ist eine Arbeit von Louise Borgeois und gehört zum Bestand des Museums. Aber mit neun Metern Höhe hat es drinnen keinen Platz gefunden, und nun wird es draußen von Puppy ebenso ins Lächerliche gezogen wie Gehrys Bauwerk. Den wird man nicht nach seiner Meinung gefragt haben, denk ich mir. Andernfalls hätte er den Ruch der Unseriosität verdient, der ihm seither anhaftet. 


Und auch die lächerliche Brücke gleich nebenan.


Die war allerdings schon vor ihm da.

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