Sonntag, 23. Februar 2014

Gehry am Alexanderplatz - eine Stimme aus der Provinz.

aus Badische Zeitung, 21. 2. 2014                                                                Frank Gehrys Turm; links das Haus des Lehrers

Berlin wird Kinshasa.

Die Zerstörung der Stadt am Berliner Alexanderplatz

von Falk  Jaeger  

Der Alexanderplatz in Berlin, Hauptstadt der DDR, war für manche ein sehnsuchtsvoller Ort. Dort gab es bisweilen internationale Jugendveranstaltungen, behördlich ordnungsgemäß organisiert und, das wusste man, ebenso ordnungsgemäß beäugt von jenen Kräften, die für ein hohes Maß an Sicherheit und Ordnung zu sorgen hatten. Auch an normalen Tagen waren Touristen anzutreffen, dort an der Weltzeituhr, Wahrzeichen, Treffpunkt und mythischer Ort, an dem das Fernweh mit Händen zu greifen war.

 
Weltzeituhr,Hotelhochhaus
 

Ringsum hatte sich der Magistrat bemüht, die zerbombte und zerschlissene Kaiserzeit abzuräumen und durch Bauten im Internationalen Stil Weltniveau unter Beweis zu stellen. Den Beweis mit qualitätvoller Architektur erbracht hatte aus heutiger Sicht freilich nur Hermann Henselmann mit seinem Haus des Lehrers und der Kongresshalle. Es waren neben den beiden ohnehin sakrosankten Mendelsohn-Gebäuden die einzigen, denen Hans Kollhoff vor zwanzig Jahren Respekt bezeugte, als er seinen berühmten städtebaulichen Entwurf mit einem Dutzend Hochhäusern vorstellte.
  Brunnen der Völkerfreundschaft ('Nuttenbrosche'), Haus des Lehrers, Kongresshalle 

Ein Sammelsurium von Interessen

Kollhoff wollte den Platz durch zehngeschossige Sockelbauten fassen, aus denen die Turmhäuser emporwachsen. Er wollte damit einerseits den Platzraum schließen und den Raum erlebbar machen, andererseits ihn durch eine Hochhausfamilie umstellen und zum gesamtstädtischen Zeichen machen. Er bekam dafür viel Applaus, doch seine Pläne scheiterten an der Rezession. Der Boom, der noch den Potsdamer Platz und die Friedrichstraße beflügelt hatte, war zu Ende, die Investoren warteten ab. Kollhoffs nur vage ausformulierte Architekturformen erinnerten an Hochhäuser der 30er Jahre in den USA. Eines hatte er klar erkannt: Ein Hochhaus kann schön sein, spektakulär, faszinierend. Eine Gruppe solcher Türme, zufällig je nach Grundstücksverhältnissen und Investorenlaune zusammengewürfelt, ergibt ein schreckliches Bild, zu besichtigen von São Paulo bis Kinshasa, von Tel Aviv bis Shenzen, aber auch in Berlin, rings um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
 
"Zoofenster"; Hotel Waldorf-Astoria
 

Es gibt nur eine Chance: ein gestalterischer Mindestkonsens und ein städtebaulich stringenter Plan. Nur so sind Hochhäuser ästhetisch zu domestizieren. Man denkt an das New Yorker Rockefeller Center aus den dreißiger Jahren oder an die fünf Hochhausscheiben am Stockholmer Hötorget aus den sechziger Jahren, beides städtebauliche Ensembles von hohem Wiedererkennungswert.

Kollhoffs Plan, 1993

Kollhoffs Plan wurde den weiteren Planungen zugrunde gelegt, doch es ging wie immer in Berliner Rezessionszeiten, wenn der Senat keine Machtmittel mehr in Händen hält und eine starke Persönlichkeit in der Baudirektion fehlt. Eigentümer sanierten lieber die DDR-Plattenbauten am Alexanderplatz, als nach Kollhoffs Plänen neu zu bauen und torpedierten damit den schönen Plan. Jüngstes Beispiel: Der amerikanische Investor Hines, der vor vier Jahren schon das Elektronikkaufhaus Saturn am Alex baute (bauen durfte), ohne den von Kollhoff vorgesehenen Turm zu errichten oder zumindest im Sockelbau fundamentmäßig vorzubereiten, will nun doch als erster einen 150-Meter-Turm bauen – neben, nicht auf dem Saturnblock. Sündhaft teure Wohnungen soll es darin geben, und schon hofft so mancher, dass sich der Luxus an jenem Ort nicht verkaufen lässt und der Turm gar nicht erst zustande kommt.


Alexanderplatz von der S-Bahn aus; links und rechts die Behrens-Gebäude


Denn jüngst wurde ein Architektenwettbewerb dazu entschieden, und man fragt sich, was das Preisgericht zu seiner merkwürdigen Wahl getrieben hat. Jener Entwurf, der sich am wenigsten mit Kollhoffs Rahmenplan vereinbaren lässt, wurde ausgesucht. Der amerikanische Architekt Frank O. Gehry, der mit dem Guggenheim Museum in Bilbao berühmt wurde und der seitdem überall auf der Welt seine zerquälten Bauschwurbel hinterlässt, die, wohlwollend betrachtet, aussehen, als habe jemand zerknautschte postkubistische Gemälde dreidimensional aufgeblasen. Ganz so chaotisch scheint das für den Alexanderplatz entworfene Hochhaus nicht, aber es wird eine eitle Diva werden, die eines bestimmt nicht verspricht: mit anderen Hochhäusern zusammen eine gestalterische Familie zu bilden.


Alexanderplatz, Haus der Elektroindustrie (nach der Wiedervereinigung)


Berlin hätte mit dem Kollhoff’schen Alexanderplatz ein weltweites Alleinstellungsmerkmal, ein weiteres Wahrzeichen haben können – und einen schönen Stadtplatz, der nach wie vor die Touristen anzieht. Was sich nun abzeichnet, ist ein zufälliges Sammelsurium von Einzelinteressen der Investoren, die bauen, auf welchen Grundstücken sie wollen und was immer sie für lukrativ halten, Kinshasa eben.


Gehrys Turm 

Nota.

Frank Gehry war froh, dass sie ihn endlich mal ein normales Haus bauen lassen. Ein Hochhaus von 150 Metern, das kann man nicht verwurschteln und zusammenkneten, uff, das konnten die Berliner Dorfschulzen nicht von ihm verlangen. Aber ein Solitär ist es natürlich doch geworden (wenn auch ein ziemlich konventioneller), Frank Gehry kann nix andres.

Aber soll ich Ihnen was sagen, Herr Jaeger? So beklemmend wie Kollhoffs allzu reguläres Ensemble-Modell ist er nicht. Und zum Alleinstellen haben wir in Berlin dies und das. Zweck der Architektur braucht das nicht zu sein. Berlin soll nicht Kinshasa werden, aber Bilbao ist es eben auch nicht.
JE  

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