Montag, 8. Juni 2015

Frühe Computerkunst in Linz.

aus derStandard.at, 28. Mai 2015, 10:02

Bilderspuckende Rechenmaschinen
Zwischen Skepsis und Optimismus: Die Anfänge österreichischer Computerkunst in der Ausstellung "Serendipität" in Linz

von Roman Gerold 

Linz - Wenn man als österreichischer Künstler in den 1960er-Jahren den Computer verwendete, zog man leicht Skepsis auf sich. Laut Zeitgeist war Kunst etwas Menschliches, etwas, worin Maschinen nichts verloren hatten. Dass man per Rechner unzählige Bilder in kürzester Zeit schaffen konnte, widersprach der Idee vom expressiven Genie, das sich seine Werke mühevoll abringt.



Wie viele Künstler demgegenüber zwischen den Sphären des Technisch-rationalen und des Sinnlichen zu vermitteln suchten, davon zeugt derzeit ein Kleinod von einer Ausstellung in Linz. Die selbständige Kuratorin Angela Stief, die ihre Projekte zwischen Museum und Galerie ansiedelt, hat in der "Temporären Halle für Kunst", einer revitalisierten, ehemaligen Industriehalle im Viertel hinter dem Bahnhof, einen Überblick über frühe österreichische Computerkunst und einige ihrer Sprosse realisiert.



In Serendipität entführen elf Positionen in wenig erschlossene Bereiche der Kunstgeschichte. Vertreten sind Neo-Geo-Arbeiten von Gerwald Rockenschaub ebenso wie die spröde Kunst des Physikers und Science-Fiction Autors Herbert W. Franke oder 3-D-gedruckte "Schmetterlinge" der Künstlerin Lia.



Der Begriff Serendipität meint einen zufälligen, glücklichen Fund. Denn: Tatsächlich diente der Computer anfangs vor allem dem Spenden von Ideen. Der tschechische Maler und Bildhauer Zdenek Sýkora etwa ließ sich die Bauprinzipien für seine Werke berechnen, die er dann händisch umsetzte. Die Bedienung des Rechners soll er ganz einem Freund überlassen haben.

Ein Computer für die Kunst

Demgegenüber entwickelten Otto und Oskar Beckmann einen "Kunstcomputer", der auf eigene Faust Bilder ausspuckte. Die menschlichen Eingriffsmöglichkeiten beschränkten sich auf das Drehen einzelner Regler. Was herauskam, bezogen die Beckmanns indes wiederum auf die Realität: So überlagerten sie etwa die Resultate des Kunstcomputers mit Fotos, um die geschwungenen, abstrakten Formen wie utopische Architektur aussehen zu lassen.


Ein Sonderfall ist schließlich Marc Adrian: Er gehörte zu jenen, die früh die soziopolitische Tragweite der neuen Technologien kritisierten; eine Gefahr sah er etwa darin, dass der Computer es der Kulturindustrie ermögliche, dieselben Bausteine immerfort zu rekombinieren und dieserart das Publikum zu verdummen.


Die Arbeiten, mit denen Adrian in dieser sehenswerten Schau vertreten ist, sind denn auch eher ein im Analogen angesiedelter, treffender Kommentar auf die neuen Technologien. Seine Hinterglasbilder, die sich aufgrund optischer Brechung in immer neuer Form zeigen, referieren auf die Pixelästhetik. Vor allem aber sind sie eine Schule des Sehens.  
Bis 14. 6.


Website des Ausstellungsprojekts Lotte Sonnenstein

Nota. - Ob es Kunst ist, brauche ich gottlob nicht zu entscheiden, ich bin kein Kunstkritiker. Und wenn, dann wäre nicht der Computer der Künstler, sondern derjenige, der ein Teil in die Hand nimmt und es dem Publikum als 'sein Werk' vorstellt. Hätte er es selber gemacht, hätte er auch manches ausprobieren müssen, bis er fand, jetzt stimmt's - und es ist dieses ästhetische Urteil, was das Künstlerische an der Sache ausmacht.

Ob es ästhetisch was taugt, ist eine andre Frage. Dass es nicht allen gefallen kann, ist nicht der springende Punkt. Ästhetisch rechtfertigt sich Kunst, wenn sie etwas zu sehen und zu hören gibt, was - in dieser Form jedenfalls - vorher noch nicht gesehen oder gehört worden ist. Unter diesem Gesichtspunkt fällt mir zu den hier gezeigten Objekten ein: Am besten sind die, von denen man sagen kann: Das könnte auch von einem Künstler stammen.
JE


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen